WARUM HABEN ALLE ANGST VOR DER MODERNEN FRAU?
8/17/20256 min read
WARUM HABEN ALLE ANGST VOR DER MODERNEN FRAU?
Eine Kolumne über Feminismus, Popkultur, Männerhass, Patriarchat und den ganz eigenen Beat der Emanzipation
Feminismus als neues Chanel No. 5
Feminismus ist heute das, was früher die Zigarette war: Symbol, Provokation, Haltung. Nur dass statt Rauchwolken inzwischen Threads aufsteigen. „Männerhass“ wird uns nachgesagt, als wäre das eine Avantgarde-Variante von Chanel No. 5 – ein Duft, der die moderne Frau umweht. Aber warum eigentlich? Und warum fühlen sich Männer so bedroht von einer Bewegung, die im Kern nichts anderes will als Gleichheit?
Die moderne Frau trägt High Heels und Sneakers, Blazer und Crop Top, Kleider und Baggy Jeans, liest Hegel und Freud im Seminar und hört Ikkimel auf dem Weg in den Club. Sie lebt Widersprüche und macht sie sichtbar. Genau darin liegt ihre Macht – und vielleicht auch der Grund, warum so viele Angst vor ihr haben.
Denn das eigentliche Parfum der Gegenwart ist nicht Chanel, sondern Selbstbestimmung. Und die riecht für manche Männer nach Kontrollverlust.
Zwischen Hip-Hop und Hegel
Wer Ikkimel hört, spürt es sofort: Da ist Wut, Schärfe, Lust an der Übertreibung. Kein akademischer Feminismus, kein Seminarraum-Diskurs mit PowerPoint und Gendersternchen, sondern Bass, Punchline, Alltagswut. „Männerhass“ wird hier nicht als Metaphysik betrieben, sondern als Soundtrack, der Widerstand tanzbar macht.
Wo früher Simone de Beauvoir uns erklärte, dass man nicht als Frau geboren wird, sondern zur Frau gemacht, hören wir heute bei Ikkimel eine Punchline, die dieselbe Wahrheit in drei Sekunden liefert: kein Essay, sondern eine Ansage.
Hegel sprach von Dialektik: These, Antithese, Synthese. Ikkimel kontert mit Zeilen, die das Patriarchat nicht diskutieren, sondern direkt auslachen. Unterschiedliche Sprache, gleiche Bewegung: Widerstand gegen eine Gegenwart, in der Frauen immer noch zwischen Anpassung und Angriff balancieren müssen.
Ikkimel ist in dieser Hinsicht fast so etwas wie die Pop-Version einer feministischen Theoretikerin: Ihre Songs sind keine Fußnoten-Kaskaden, aber sie sezieren dieselben Widersprüche. Nur eben mit 808 statt Fußnote.
Der Männerhass-Mythos
„Männerhass“ – das klingt nach Kriegserklärung, nach Furien im Blutrausch. In Wahrheit ist es oft Pose, Ironie, Spiegel. Psychologisch betrachtet: Projektion. Männer, die spüren, dass das alte Machtspiel nicht mehr funktioniert, hören in feministischer Kritik automatisch persönliche Anklage. „Ihr hasst uns doch!“ – nein, wir hassen nicht dich, Stefan. Wir hassen Strukturen, die uns kleinhalten.
Was Männer als Hass bezeichnen, ist in Wahrheit eine Sehnsucht: nach Respekt, nach Gleichheit, nach einem Leben ohne ständige Rechtfertigung. Der Feminismus der Gegenwart ist deshalb kein Pamphlet gegen Männer, sondern eine Befreiung für Frauen. Dass er unbequem ist, gehört zum Konzept.
Der Vorwurf „Männerhass“ ist fast süß – weil er so durchschaubar ist... Er ist die Panikreaktion des Patriarchats, das merkt: Die Party, bei der Frauen jahrhundertelang nur Hostessen sein durften, ist vorbei.
Triggerwarnung: verletzte Männlichkeit
Es ist schon fast Comedy: Kaum sagt eine Frau „Patriarchat“ oder setzt sich für Feminismus ein, schon heben ein paar Männer die Hand, als hätten wir sie persönlich geohrfeigt. „Meinst du mich?“ – Nein, Maus, wir meinen ein ganzes System. Wenn du dich trotzdem getroffen fühlst, ist das dein Problem, nicht unseres.
Die Wahrheit ist: Männer, die Feminismus als Angriff verstehen, outen damit nur ihre eigene Unsicherheit. Sie sind so tief mit den alten Machtspielen verwoben, dass jede Kritik daran wie ein Schlag in ihr Ego wirkt. Aber mal ehrlich – wenn ein einziger feministischer Satz dich wackeln lässt, dann liegt das nicht an uns, sondern daran, dass dein Selbstbild auf ziemlich dünnem Eis gebaut ist.
Feminismus greift nicht Männer an. Feminismus greift Strukturen an. Wenn du dich dabei ertappt fühlst, heißt das nur eins: Du profitierst vielleicht ein bisschen zu sehr von diesen Strukturen.
Oder anders gesagt: Wir sind nicht zu laut. Du bist nur zu empfindlich.
Popkultur als feministisches Labor
Der Feminismus von heute trägt Glitzer und Goldketten, High Fashion und Hoodies. Ebow rappt über migrantische Weiblichkeit, Queerness und gegen Sexismus, Nicki Minaj über Hyperfeminität, Beyoncé singt „Who run the world? Girls“. Selbst Billie Eilish mit ihrem Baggy-Look war ein feministisches Statement: „Ihr kriegt meinen Körper nicht mehr als Klickbait.“
Mode ist oft nicht nur Mode. Lippenstift ist Rüstung. Crop Top ist Provokation. Baggy Pants sind Verweigerung. Ein Selfie kann Kampfansage sein, ein Meme Revolutionsmaterial. Instagram ist kein narzisstisches Schaufenster, sondern manchmal eine Bühne für Widerstand – gegen Bodyshaming, Sexismus, gegen das ewige „Du bist zu viel“.
Man könnte sagen: Popkultur ist der neue Seminarraum. Nur dass hier nicht geflüstert, sondern geschrien wird. Judith Butler trifft auf Autotune, Audre Lorde auf TikTok. Ikkimel in Spotify-Playlists.
Und hier liegt der Clou: Popkultur ist kein Ersatz für Theorie – sie ist ihre Fortsetzung mit anderen Mitteln. Wie Foucault sagte: Macht zeigt sich nicht nur in Gesetzen, sondern in Gesten. Und genau dort setzt die moderne Frau an. Ikkimel macht daraus eine Hookline: drei Minuten Beat, die mehr Wirkung haben können als eine 300-seitige Dissertation.
Das Patriarchat zittert
Warum also die Panik? Weil die moderne Frau nicht mehr nur Gleichheit fordert – sie will die Deutungshoheit. Sie schreibt ihre eigenen Narrative, ihre eigenen Songs, ihre eigenen Gesetze. Und dieses Narrativ ist lauter, widersprüchlicher, unberechenbarer als alles, was vorher war.
Die moderne Frau ist nicht die brave Hausfrau aus dem Märchenbuch – sie ist die vielschichtige Protagonistin unserer Zeit. Sie kann Vorstandsvorsitzende sein und Mutter. Sie ist vieles zugleich – und in keine Schublade zu pressen.
Das Patriarchat lebt von Kontrolle. Von klaren Rollenbildern, von Regeln, die bestimmen, was eine Frau darf und was nicht. Wenn Frauen plötzlich Regeln brechen, laut sind, widersprüchlich, widerspenstig – dann ist das für viele wie ein Kontrollverlust. Aber genau dieser Kontrollverlust ist der Kern von Freiheit.
Es ist das, was Byung-Chul Han die „Erschütterung des Systems“ nennen würde. Wo vorher Stabilität war, herrscht jetzt Dynamik. Das System zittert – und zittert nicht, weil es zerstört wird, sondern weil es endlich lebendig wird.
Und Ikkimel liefert den Soundtrack dazu: Songs wie kleine seismische Beben, die anzeigen, dass sich etwas verschiebt.
Humor als Waffe
Ironischer Männerhass, bissige Punchlines, überzogene Posen – das ist kein Ernstfall, sondern eine Strategie. Wer jahrhundertelang als „zuviel“ bezeichnet wurde, macht aus diesem Zuviel ein Statement.
Es ist wie bei der Mode: Früher hieß es „zu bunt, zu kurz, zu auffällig“. Heute ist es genau das, was Aufmerksamkeit zieht. Feminismus funktioniert inzwischen ähnlich: Laut sein, ironisch sein, unbequem sein – das alles ist keine Schwäche, sondern die eigentliche Strategie.
Humor ist dabei das schärfste Schwert. Ein gut platzierter Witz zerstört das Patriarchat schneller als jede Fußnote im Soziologieseminar. Wer gelacht hat, kann nicht mehr so tun, als hätte er nichts verstanden.
Und genau hier hat Ikkimel eine ähnliche Kraft wie große Satirikerinnen: Sie überzieht, sie übertreibt, sie spielt mit Rollen – und macht das Lachen zu einer Form der Waffe. Ein Rap als Pointe, die hängen bleibt.
Androzentrismus mit Glitzerüberzug
Ein großer Teil der Angst vor der modernen Frau hat einen altgriechischen Namen: Androzentrismus – die Welt aus der Perspektive des Mannes. Aristoteles definierte Frauen als „verstümmelte Männer“. Jahrhunderte später hat sich daran erschreckend wenig geändert: Der „menschliche Körper“ in Biologiebüchern ist männlich, das „neutrale Subjekt“ in der Philosophie ist männlich, sogar die Standardgröße im Airbag wurde lange am männlichen Körper ausgerichtet.
Wie absurd tödlich dieser männliche Blick sein kann, zeigt das Beispiel des Herzinfarkts: Jahrzehntelang galt Brustschmerz als das Symptom schlechthin – natürlich, weil das bei Männern so ist. Dass Herzinfarkte bei Frauen oft ganz anders aussehen – mit Übelkeit, Müdigkeit, Rückenschmerz – interessierte niemanden. Das Ergebnis: Frauen starben häufiger, nicht weil ihre Körper „komplizierter“ sind, sondern weil die Medizin jahrzehntelang zu faul war, über den männlichen Tellerrand hinauszuschauen.
Androzentrismus bedeutet also: Der Mann ist die Norm, die Frau die Abweichung. Alles, was sie tut, wird gelesen als „zu viel“ oder „zu wenig“. Zu laut, zu leise, zu sexy, zu prüde. Ein ewiger Kommentar-Thread, den niemand je abbestellt hat.
Die moderne Frau sprengt diesen Maßstab. Sie sagt: Ich bin nicht die Abweichung, ich bin das Zentrum. Androzentrismus will, dass die Welt nach männlicher Logik funktioniert. Die moderne Frau antwortet mit mit der Weigerung, sich messen zu lassen an einem Lineal, das sie nie selbst gebaut hat.
Mehr Bass, weniger Angst
Die moderne Frau hasst keine Männer. Sie hasst Strukturen, die sie klein machen. Sie hasst Erwartungen, die sie in ein Korsett zwingen. Sie hasst die Zumutungen, die ihr Perfektion abverlangen, während ihr zugleich Schwäche unterstellt wird.
Aber viel mehr als das liebt sie ihre Freiheit – und den Mut, sie laut zu leben.
Vielleicht sollten wir deshalb weniger Angst haben vor der modernen Frau. Vielleicht sollten wir anfangen, ihr zuzuhören – in Seminaren, in Clubs, in Kolumnen wie dieser.
Denn wenn Feminismus heute etwas ist, dann nicht nur ein politisches Projekt. Er ist ein Lifestyle, ein Meme, ein Soundtrack. Er ist Chanel No. 5 auf der Tanzfläche: sexy, provozierend, radikal.
Und er ist gekommen, um zu bleiben, denn wir sind nicht hier, um euch zu gefallen. Wir sind hier, um die Regeln umzuschreiben – in Politik, in Popkultur, in jedem verdammten Raum, in dem wir zu lange nur Komparsen waren.
Die moderne Frau ist kein Trend, sie ist die Zukunft: Sie schreibt ihre eigenen Gesetze, ihre eigenen Songs, ihre eigenen Bilder. Nennt es Männerhass, nennt es Hysterie, nennt es, wie ihr wollt – am Ende ist es nichts anderes als Freiheit.
Wer das nicht aushält, sollte sich Ohrstöpsel kaufen. Denn die moderne Frau wird lauter, radikaler, unaufhaltsamer – und das Patriarchat hört gerade seinen letzten Song.